Wenn alles wegfällt, stehen wir nackt dar.
Nackt mit unseren Herzen, in denen Angst sich breit macht.
Nackt mit unserem Ego, dass nicht mehr weiß, in was es sich spiegeln soll.
Nackt mit unserem Bedürfnis nach Sicherheit und Obhut.
In der Krise sind alle gleich.
Denn wenn alles wegfällt, hat niemand mehr etwas.
Alles liegt pur da. So wie wie wir gekommen sind. Pur.
Nur die Seele, der Geist, der Körper.
Ohne Glanz und Glitzer. Ohne Gucci und Ferrari.
Ohne Photoshop und Retusche.
Wir können uns jetzt nicht mehr verstecken.
Alles kommt zum Vorschein.

“Der Gute wird jetzt besser und der Schlechte wird jetzt schlechter”, hörte ich letztens jemanden die Auswirkungen der Krise auf uns Menschen resümieren. Ich dachte darüber nach. Ich glaube eher, dass es weniger um Gut und Schlecht geht, denn wer weiß schon genau, was das ist. Es geht vielmehr um pur. Um pures Leben ohne Schnörkel. Ohne Make up. Ohne Tuning.
“Blessed are the pure in heart” kommt mir der Bibeltext in den Sinn. Ja, das Pure im Herzen wird jetzt freigelegt. Wie bei Ausgrabungsarbeiten, bei der die Erde obendrauf nach und nach abgetragen wird.

Was liegt da tief in uns drin, wenn im Außen alles wegfällt? Ist da nur die Angst, sonst nichts? Das Ego, das um sein Überleben kämpft? Oder sind das auch nur Lagen, die noch wegfallen, wie bei einer Zwiebel, die wir Schicht um Schicht entblättern? Was ist der Kern, das was bleibt? Wenn wir den Job verlieren? Wenn wir uns nicht mehr daran orientieren können, was Morgen ist? Wenn wir nicht mehr planen können – für den Tag danach, die nächste Woche, die folgenden Monate? Wenn wir von heute auf Morgen ohne Einkommen sind, unsere täglichen Aufgaben nicht möglich, unsinnig oder unrentabel geworden sind. Wenn wir nicht wissen, ob die Welt noch sicher ist, für uns, für unsere Lieben? Wenn kein Stein mehr auf dem anderen liegt, als wäre gerade eine Bombe eingeschlagen in unsere Stadt der Gewohnheiten und Gedanken? Plötzlich ist da das Nichts. Die Leere. Das Vakuum. Stillstand. Pause. Nichts geht mehr. Rien ne va plus.

Da hilft es mir, dass wir Menschen auf English “human beings”  heißen. Nicht “human doings”.Es reicht zu sein. Wir müssen nichts tun, nicht agieren und beschäftigt sein, um uns lebendig zu fühlen. Es reicht das sein. Oh Gott, denkst du jetzt, was soll denn das? So ein Blödsinn! Wir sind ohne Alles gekommen. Und gehen ohne Alles. Können nichts mitnehmen zum Schluss. Und dazwischen? Warum bleiben wir nicht das, was wir sind, als wir kamen. Eine Seele, ein Geist, ein Körper, der einfach nur da ist. Ohne Erwartungen und ohne Ziel. Der getragen ist. Eine Verkörperung der Schöpfung mit dem Auftrag, zu sein. Da zu sein. Für andere. Für Mutter Erde. Für die Kinder. Für den Moment. Im Vertrauen, dass alles ist, was sein soll. Und dass alles endet, wenn es enden soll. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Pur. Rein. Schön. Sein.