Bornholm, 02.08.2021
Alles, was wir tun, alles was wir denken, alles, was wir fühlen versetzt uns in eine Energie.
Mein beschauliches und naturnahes Leben auf Bornholm lässt mich ruhig und ausgeglichen sein. Das Meditieren, Yoga, Strandspaziergänge und einfach nur das Sitzen am Meer bringen mich in eine Energie, die mir guttut. Ich bin entspannt, geerdet und im Hier und Jetzt.
„So kenn ich dich ja gar nicht, du wirkst so rebellisch“, begrüßt mich meine Freundin heute Morgen am Telefon. Sie hat meine Newsletter der letzten Tage bekommen und wundert sich. Ich mich auch. Über mich. Über meine aufgestaute Wut, die Ohnmacht, aber auch den Kampfgeist, geradezu die Lust, mich mit jemandem zu streiten. Neue Seiten. Die entdecke ich nicht nur an anderen, sondern auch an mir. Gestern Abend die Ernüchterung, die Schwere, denn vielleicht befreit mich das Schreiben gar nicht, sondern belastet mich? Was sind die Gedanken, die mir die Energie rauben? Mich leer und ausgelaugt fühlen lassen? Was denken die anderen von mir? Kann ich mir das als Coach erlauben? Handle ich kindisch und habe meine Emotionen nicht mehr im Griff? „Ich kann mir dieses Gewäsch von Familie Schroeter nicht mehr anhören bzw lesen . Schrecklich was sich diese Familie leistet, versucht andere Leute zu manipulieren und deren Ansichten über gewisse Grenzen hinaus auf zudrängen“, so ein Kommentar eines Herrn, der sich aus meinem Newsletter austrägt, einer von 10. Baff, unter die Gürtellinie. Jetzt kommt der Shitstorm, das war klar, das hätte ich wissen müssen. Das kannte ich schon von Kommentaren auf einige Beiträge in meinem Blog. Sachlich bleiben die wenigsten. Schade. Macht was mit mir. Versuche es trotzdem nicht zu sehr an mich heranzulassen… Ich stoppe das Gedankenkarussell und ermutige mich mit Sätzen, die ich in einem inneren Zwiegespräch zu mir selber spreche: „Du darfst das!“ „Lass´diese Gefühle zu!“ „Du sprichst einfach das aus, was gerade in dir passiert!“ „Egal, was andere sagen, sei du selbst!“ „Hab´ keine Angst, zeige dich!“. Ich komme mir vor wie damals, als ich meinem Sohn an seinem Bett sitzend zum Einschlafen bringen wollte.
Die Sätze haften nicht richtig an mir, dringen nicht ein, bleiben an der Oberfläche. Was wirklich wirkt, ist eine Übung, die mir plötzlich in Erinnerung kommt und die ich – wenn es passt – mit den Frauen mache, die zu mir ins Coaching kommen. Ich setze mich hin und schreibe auf, was ich möchte, was meine Kinder einmal über mich sagen würden, wenn sie meine Grabrede hielten. Was möchte ich, wie sie mich beschreiben und was ich für sie und andere war? Der Stift gleitet über das Papier und meine Energie kommt mit jedem Wort zurück zu mir…
Ja, ich wünsche mir, dass sie sagen, dass ich immer für etwas eingestanden habe. Dass ich eine Haltung hatte, die sie bewundert haben. Dass ich andere inspiriert habe mit meiner Authentizität, meiner Offenheit, meiner Toleranz. Dass ich mich für andere eingesetzt habe, für Gerechtigkeit, Gleichstellung. Für Mutter Erde. Für das Meer. Für die Tiere. Dass ich die Welt versucht habe, ein wenig besser zu machen. Dass ich mutig war und ein großes Herz für alle hatte…
Große Ziele? Ich weiß es nicht, aber es kommt einfach so aus mir heraus und fühlt sich richtig an.
Ja, ich möchte für etwas stehen, eine Botschaft haben, eine Meinung, eine Stimme. Ich möchte nicht, dass sie irgendwann sagen, dass ihre Mutter eigentlich immer unsichtbar und still war und sich nicht getraut hat. In diesen Corona-Zeiten… Und dass sie eigentlich gar nicht wissen, ob ich damals eine Meinung gehabt oder für etwas gekämpft hätte. Nein, das will ich nicht!
Es ist Zeit, den Rücken gerade zu machen und meine Stimme lauter werden zu lassen. Es ist Zeit, auch andere dazu einzuladen. Es ist Zeit, sich gegenseitig Mut zu machen, dass jeder von uns eine Botschaft und eine Aufgabe hat. Und es ist Zeit, dass wir rauskommen aus der Komfortzone und uns zeigen. Raus aus dem Schatten, rein in das Licht. Ich weiß, dass es Viele unter uns gibt, die das möchten und noch den Mut dafür suchen….
Eure Reaktionen auf meine Newsletter der letzten Tage zeigen mir, dass es in vielen Herzen flimmert, in vielen Mägen brodelt…. eine Energie, die wir nutzen können, um Dinge zu verändern. Es geht nicht um eine Diskussion um das Impfen oder Nichtimpfen, es geht um unsere Grundpfeiler unserer Gesellschaft, unseres Miteinanders.
Denn eines, und das zeigen die Mails, ist uns gemein: Wir müssen uns zu unserer Angst bekennen. Wir müssen über unsere Angst sprechen. Das zeigt die Mail von Elisabeth, die ich teilen darf:
„Ja, die Angst geht um, hat uns im Griff. Ich möchte im Moment immer weniger Zeitung und im Internet lesen, weil ich spüre, es wird Angst geschürt: Corona, Klimawandel, Diktatoren, Rechtsruck in EU Ländern …. Aber ich kann es mir doch nicht ganz abgewöhnen, denn ich möchte wissen, was los ist. Was kann ich tun gegen meine Ängste? Ich bin geimpft, lebe vegetarisch, kaufe regional ein, pflege Familienbande, Freundschaften und Nachbarschaft ohne die auszugrenzen, die anders denken. Ich mache mir Sorgen um meine Schwester, die sich nicht impfen lassen möchte, obwohl sie nicht ganz gesund ist, aber ich respektiere ihre Meinung und nehme sie trotzdem in den Arm. Ebenso meine Nichte, die Angst hat nicht schwanger zu werden, wenn sie sich impfen lässt. Unsere Nachbarin liegt seit 3 Monaten in der Uniklinik Eppendorf im künstlichen Koma und wird beatmet. Wenn Sie Corona überlebt, wird sie nie mehr so sein, wie vorher. Das macht mir Angst. Mein Mann hatte vor 4 Jahren Krebs. Ich bin froh, dass er geimpft ist. Wir waren im Juni 3 Wochen auf Bornholm, waren mit die ersten, die wieder über Sassnitz einreisen konnten, und haben auch erlebt, wie in Dänemark die Maskenpflicht fiel. Es war eine Befreiung, wieder ohne Masken einkaufen zu dürfen und Cafés zu besuchen. Die langen Beschränkungen haben diese Momente besonders kostbar gemachtÜber die Bücherei habe ich mir das Buch von Juli Zeh bestellt – schon vor Wochen – das Buch scheint der Renner zu sein. Inzwischen lese ich vom amerikanischen Schriftsteller, Psychiater und Psychoanalytiker Irvin Yalom ein Buch über die Todesangst, die hinter vielen unserer Ängste steckt: „In die Sonne schauen“. Ein ermutigendes Buch, das sagen will:“Lebe dein Leben. Verwirkliche dein Potential. Lass nicht deine Angst zum Gefängnis werden“.
Ich halte unser demokratisches System für stabil. Sorgen macht mir, ebenso wie Dir, die Spaltung der Gesellschaft in Geimpfte und Impfgegner, „treue“ Staatsbürger und Querdenker. Dass nicht mehr Argunente ausgetauscht werden und nicht zugehört, sondern sich lieber beschimpft oder ignoriert wird. Null Toleranz eben (….) Bleiben wir also zuversichtlich und verlieren nicht den Mut. Es gibt so einen Spruch: „Wenn der Wind stärker wird, bauen die einen Mauern, die anderen Segelschiffe.“. Eure Gedanken von der Insel sind solche Segelschiffe! Danke dafür!
Oder von Sabine: „Ich fühle mich auf jeden Fall so fremd, alles fühlt sich so unwirklich an. Ich möchte nur noch weg aber wohin? Manchmal stehe ich einfach so da und denke das kann doch alles nicht wirklich so sein. Es ist so erschreckend wie sehr sich die meisten Menschen verändert haben. Ich bin dankbar für meine drei guten Freundinnen die zum Glück auch kritisch sind. Auch machen mir Menschen wie Du Mut, dass man vielleicht ( hoffentlich ) doch noch etwas bewirken kann. Aufgeben will ich auf keinen Fall.“
Ich möchte Euch einladen, Euch hier mit mir und anderen auszutauschen. Über Eure Ängste in dieser Zeit aber auch über Eure Wünsche und Eure Zuversicht. Gerne würden ich diesen Blog nutzen, um diese Stimmen nach Außen zu bringen. Da gibt es kein Plan, keine Struktur, nur den Wunsch des Austauschs, weil ich daran glaube, dass es uns guttut, uns ehrlich und ohne Vorbehalte aus den verschiedenen Positionen heraus über das zu unterhalten, um das es bei allem geht: Um unser Angst. Unsere grundehrliche, grundpersönliche Scheißangst, die in Corona-Zeiten in allen Facetten aufploppt.
Schreibt mir, wenn ihr mögt und ich teile es nach und nach…. Bliebt persönlich und erzählt von Euch, ohne ein Angreifen der Anderen , ohne Schuldzuweisungen und „Schwarzen Peter“. Bliebt bei Euch. Und sagt, ob ich Euren Namen nennen darf.
Ich freue mich drauf und bin gespannt, was sich daraus entwickelt….
Herzlichst! Steffi
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