Bornholm, 06.Mai 2021

„Von der unbedingten Anwesenheitspflicht im eigenen Leben“… – dieser Satz auf dem Rücken des Buches „Was man von hier aus sehen kann“, das ich an diesem Morgen intuitiv aus meinem Bücherregal hole, trifft mich direkt dort, wo er mich treffen soll! Vielleicht kennst du das auch, dass du etwas liest oder siehst und sofort weißt, dass das jetzt etwas Besonderes ist – so als wäre dies gerade nur für dich geschehen.


Nun hat diw Autorin Mariana Leky sicher diesen Satz nicht nur für mich geschrieben, aber er faßt so wunderbar zusammen, was ich derzeit in meinem Umfeld und im großen Ganzen wahrnehme.

Wie oft und wie intensiv sind wir eigentlich wirklich anwesend in unserem Leben?
Oder wie oft und wie sehr sind wir einfach nicht da, nicht präsent, nicht anwesend?

So wie damals im Physik-Unterricht, in dem ich wirklich nie zugehört habe, sondern entweder verträumt etwas in meinen Block gekritzelt oder im Garten vor dem Klassenzimmer die Vögel in den Bäumen beobachtet habe.
Physik hat mich wirklich nicht interessiert oder ich habe irgendwann abgeschaltet, weil ich eigentlich schon längst den Anschluss verpasst hatte (so ungefähr nach der Erklärung des Stromkreises). Chemie interessierte mich auch nicht, ebenso wie Mathematik. In den Biologie-Stunden war ich hellwach, auch in Geschichte und Deutsch (meistens). Also war ich wirklich oft abwesend und nicht anwesend.

Und wie ist das in unserem Leben? Also mit dem Leben, das da gerade in jeder Sekunde, Minute, jeden Tag stattfindet? Ich nehme derzeit wahr, dass viele, wirklich viele, immer weniger anwesend sind. Sie sitzen da in dem Klassenzimmer, in dem gerade ihr Leben stattfindet, zerkauen abwesend ihren Bleistift im Mund und warten, dass die Klingel läutet und die Stunde vorbei ist.
Mit ihren Gedanken sind sie überall, nur nicht dort. Sie schweifen ab in die Welt der Nachrichten, in die Bilder, mit denen uns die Medien jeden Tag reichlichst füttern. Oder sie reisen in ferne Länder, dorthin wo sie jetzt viel lieber wären, als hier dem stumpfen Dasein zu fristen.
Das, was einem zu Ohren kommt, kann man nicht mehr hören, die Sensorik ist schon lange ausgeschaltet. Irgendwie muss man diese Zeit einfach überstehen. So wird auf das Läuten gewartet und gebannt auf die Klingel oben links über der Tür des Klassenzimmers geschaut, die hoffentlich bald ihren eisernen Klöppel an die Glocke schlägt und wir endlich befreit sind. Denn nach der Stunde findet das Leben statt. In der Pause oder nach Schulschluss. Nach Corona oder nach der Impfung. Ja, dann beginnt das Leben. Und bis dahin verpennt man es einfach, ist abwesend und übersteht diese Zeit … irgendwie.

Ja, so kann man die Zeit überstehen so wie die Qual des Physik-Unterrichts. Nur ist es diesmal unser Leben, das wir da lustlos ableben und die Minuten zählen, bis was passiert???

Ich plädiere für die unbedingte Anwesenheitspflicht im Leben! Ohren und Augen auf. Handy aus und in die Schultasche. Konzentration auf den Leerstoff. Konzentration auf all das, was wir gerade lernen können.
Was wir gerade erforschen können. Was wir mit allen Sinnen aufsaugen können. Mit dem wir wunderbar experimentieren können.

Oder um es mit einem meiner Lieblingsautoren Erling Kagge („Stille“) zu sagen:

„All die Tage die kamen und gingen, wußte ich nicht, dass sie das Leben waren“.

Das Leben findet jetzt statt, nicht in drei Stunden, nicht in einem Tag, nicht in zwei Monaten, nicht erst wenn wir geimpft sind, nicht erst, wenn wir wieder reisen können oder die Welt kein Corona mehr kennt.

Und nein, ich bin kein Corona-Leugner, kein naiver, blauäugiger Phantast. Ich bin vielmehr jemand, der das Leben liebt, wenn es DA ist und der gelernt hat, es zu fühlen und zu umarmen, wenn ich DA bin. Anwesend.

Diesen kleinen Text habe ich genau vor einem Jahr geschrieben und er sollte in einem Buch in einem Verlag NACH Corona erscheinen. Das Buch ist nie erschienen, denn Corona ist noch da … und der Text ist genauso aktuell wie damals..

FORSCHERBRILLE

Stell´ dir vor, du siehst die Welt stets mit einer Forscherbrille auf der Nase. Egal was dir Herausforderndes passiert, betrachtest du die Situation, den Moment, die Begegnung neugierig und kommentierst es innerlich nur mit einem Wort:

„Interessant“.

Stell´ dir vor, dass du nichts in deinem Leben mehr mit „furchtbar“, „traurig“, „gefährlich“, „schmerzlich“ oder „schwierig“ bezeichnest, sondern einfach nur denkst :

„Interessant“.

Stell´ dir vor, dass damit selbst der Verlust deines Jobs, der Wegfall deiner Existenz, die Trennung von deinem Partner oder eine Krankheit sofort in eine andere Perspektive gesetzt werden.

Stell´ dir vor, dass damit das Drama in dir ausfällt und stattdessen dein Geist neugierig geweckt wird, diese neue Situation kennenzulernen und zu erforschen.

Stell´ dir vor, dass wenn etwas wegfällt, du einfach durch deine Forscherbrille schaust, neugierig,
was dann passiert.

Wie wird sich dein Leben nun ändern? Wirst du die neue Lage meistern und mit welchen Strategien?

Wie kreativ wirst du mit den neuen Koordinaten in deinem Umfeld umgehen?

Mit der Forscherbrille auf, kannst du dich selber wie ein Experiment betrachten.

Wenn nichts mehr so ist, wie noch gestern, was passiert dann?

Mit der Forscherbrille auf und dem einzigen Wort „Interessant“ kannst du jeden Tag zu einem Tag im Labor machen. Und am Ende eines Tages wirst du auswerten, was du gesehen und gemessen hast, ob und wie sich dein Leben, dein Alltag durch was genau verändert hat.

Mit der Forscherbrille auf, evaluierst du, welche Gedanken dir geholfen, dich weitergebracht haben.

Und welche haben dich schwach und haltlos fühlen lassen? Welche Handlungen taten dir gut und welche nicht? Welche Menschen haben dein Puls höher schlagen lassen, haben dein Herz geöffnet oder dir die Luft genommen. 

Messe, beobachte, notiere und lasse das Experiment Leben glücken! 

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Ich habe derzeit auch die Forscherbrille auf und entdecke, wie es ist, wieder mehr abzutauchen.
Ich habe gerade mein neues Buch „Die Walflüsterin herausgebracht. Im eigenen Verlag, mit voller Freude und eben auch voller Verantwortung für alles, was da kommt. Und ich müsste nach allen Regeln des Verstandes und was ich so über Marketing weiß, eigentlich Tag und Nacht die Werbetrommel dafür schlagen. Laut und immer lauter. Doch in mir ist einfach nur ein Bedürfnis nach Stille und Ruhe. Also gehe ich Forschen: Wie ist es, wenn ich im Außen nichts tue. Kein Instagram und Facebook mehr, nur ab und zu, wenn meine Intuition es mir sagt, ein Text auf diesem Blog und einen Newsletter. Forschungsauftrag: Vertrauen. Einfach mal die Welt sich drehen lassen, ohne dass ich das Rädchen dafür ständig bewegen muss. Und da hilft mit mein eigener Text von oben, denn ich beobachte alles, was passiert mit „interessant“ . Nicht mehr und nicht weniger…

Und wie „interessant“, was dann kommt, wenn ich aufhöre, zu tun und zu machen…

Da kommen auf einmal Geschenke zu mir. In Form von Fotos, die ich weder in Auftrag gegeben noch im eigenen Kopf hatte! Stefan Weigand, der mein Buch „Die Walflüsterin“ so wunderbar innen und außen gestaltet hat, schickt mir die wundervollsten Fotos meines Buches, die ich sofort in meinen Shop als Produktfotos stelle und mich daran erfreue, wie viel hochwertiger so mein „Baby“ rüberkommt.

Und ich bin noch voller Staunen darüber, dass mich jemand, ohne dass ich darum frage, einfach so beschenkt, da erreichen mich Fotos von Stefan Angelstein, ein guter Freund, der mit seiner ganzen Familie meine Liebe zu den Walen teilt und aus Treibholz wahre Kunstwerke baut. Er sendet mir Fotos, die er zusammen mit seinen Jungs geschossen hat, mit den Worten „Alle Fotos mit den Walen sind von den Jungs – sie wollen dich
damit ganz lieb grüßen.“. Da ging mir direkt das Herz auf!


Und Menschen senden mir Fotos, von Kuchen, die nach der Lektüre für einen bestimmten Menschen gebacken werden und Leseempfehlungen aus dem Buchhandel.

DANKE! DANKE!

Es gibt sie eben doch, diese Engel in der Nähe, die dann wirken können, wenn man selber mal anhält und still ist. Diese Geschenke haben mir sehr, sehr gut getan und mir Rückenwind dafür gegeben, mehr zu vertrauen in das was kommt. Und sie haben mich daran bestätigt, wie wichtig es ist, anwesend zu sein im Leben. Während ich mein Buch geschrieben habe, war ich 100% anwesend. Als ich mich auf auf die Suche nach der richtigen Illustration für das Cover gemacht habe, war ich 100% anwesend. Als ich beschlossen habe, es von Stefan Weigand gestalten zu lassen, war ich 100% anwesend.
Und ich war anwesend, als die lokale Tageszeitung mich gerade zu meinem Buch interviewte. Auch das kam einfach zu mir, obwohl das Buch ja auf deutsch ist….

Hab Mut und Disziplin zur Anwesenheitspflicht in deinem Leben! Du wirst reich belohnt dafür!

In diesem Sinne eine schöne Zeit!

Herzlichst!
Steffi